FAQ: Vorsatz, § 15 StGB
Auch Vorsatz ist nur dann strafbar, „wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“ Dieser Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz“ ist in unserer Verfassung und in § 1 StGB verankert. Außerdem genügt Vorsätzlichkeit allein nicht für eine Verurteilung. Die Person, die einen bestimmten Vorsatz gefasst hat, muss schließlich auch die Straftat begehen, auf die sich ihr Vorsatz bezieht. Nur dann macht sie sich strafbar – die Absicht allein genügt dafür noch nicht.
Laut Definition bedeutet Vorsatz, dass der Täter den Tatbestand wissentlich und willentlich verwirklicht hat. Hier lesen Sie eine ausführliche Erläuterung.
Juristen unterscheiden zwischen direktem Vorsatz ersten und zweiten Grades und bedingtem Vorsatz. Bei allen drei Vorsatzarten ist das Wissens- und Willenselement unterschiedlich stark ausgeprägt. Was das genau bedeutet, lesen Sie in diesem Abschnitt.
Es ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten nicht nur die Tatbegehung, sondern auch Vorsatz nachzuweisen. Darüber hinaus muss das Gericht aufgrund der Beweisaufnahmen – Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten etc. pp. – zu der Überzeugung gelangen, dass der Angeklagte die Straftat tatsächlich (vorsätzlich) begangen hat. An dieser Stelle erfahren Sie mehr.
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Im Strafrecht ist nur Vorsatz strafbar
Der Gesetzgeber stellt unter anderem im Strafgesetzbuch verschiedene Verhaltensweisen unter Strafe, zum Beispiel die Tötung eines anderen Menschen, die verschiedensten Formen der Körperverletzung, die Wegnahme fremden Eigentums, Sachbeschädigung etc. pp.
Dabei stellt er in § 15 StGB ausdrücklich klar, dass nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, es sei denn, er stellt auch ausdrücklich ein fahrlässiges Handeln unter Strafe.
Schauen wir uns einige Beispiele zur Verdeutlichung an:
Vorsatz:
- Vorsätzliche Tötung ist laut § 212 StGB strafbar
- Vorsätzliche (leichte) Körperverletzung wird nach den §§ 223 – 227 StGB bestraft
- Vorsätzliche Sachbeschädigung ist nach § 303 StGB strafbar
- Vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr ist laut § 316 I StGB strafbar
- Vorsätzlicher Diebstahl wird gemäß § 242 StGB bestraft
Fahrlässigkeit:
- Fahrlässige Tötung ist laut § 222 StGB strafbar
- Fahrlässige Körperverletzung ist laut § 229 StGB eine Straftat
- Fahrlässige Sachbeschädigung gibt es nicht als Tatbestand, sie bleibt also straflos
- Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr wird laut § 316 II StGB ebenfalls bestraft
- Fahrlässigen Diebstahl gibt es nicht als Straftatbestand
Es gibt nur recht wenige Fahrlässigkeitsdelikte im Strafgesetzbuch. So existieren weder fahrlässige Eigentums- bzw. Vermögensdelikte noch eine fahrlässige Urkundenfälschung. Bei Körperverletzungen, Tötungen, Brandstiftung und Straßenverkehrsdelikten ist jedoch auch Fahrlässigkeit strafbar.
Was ist ein Vorsatz rechtlich? Definition im Strafrecht
Jemand kann nur dann für eine vorsätzliche Straftat verurteilt werden, wenn ihm die Staatsanwaltschaft nicht nur die Verwirklichung des jeweiligen Straftatbestandes, sondern auch Vorsatz nachweisen kann.
Vorsatz ist laut Definition des Bundesgerichtshofs der „Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner Tatumstände“ (BGH, Urteil vom 5.5.1964, Az. 1 StR 26/64). Noch häufiger definieren Juristen Vorsätzlichkeit als „Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung“.
Vorsatz besteht also aus einem Wissens- und einem Willenselement. Je nachdem, was überwiegt – Wissen oder Wollen – unterscheiden Juristen drei Vorsatzarten:
- Direkter Vorsatz 1. Grades (Absicht): Hier ist das Willenselement sehr stark ausgeprägt. Dem Täter kommt es gerade darauf an, die verbotene Rechtsgutsverletzung zu erreichen. Er sticht beispielsweise mehrfach auf sein Opfer ein, weil er es unbedingt töten will.
- Direkter Vorsatz 2. Grades (Wissentlichkeit): Bei dieser Vorsatzform überwiegt das kognitive – das Wissenselement. Der Täter weiß oder ist sich sicher, dass er den Tatbestand erfüllt. Ob er das Ergebnis seines Handelns auch wünscht, ist dabei irrelevant. Der Täter setzt die Villa seiner verhassten Tante in Brand, um sie zu töten. Er weiß, dass auch seine Cousine zur Tatzeit im Haus ist. Trotzdem führt er die Tat aus, obwohl ihm die Cousine leid tut und er ihren Tod nicht beabsichtigt.
- Bedingter Vorsatz: Laut Definition liegt Eventualvorsatz vor, wenn der Täter es für möglich hält, dass er mit seinem Verhalten einen Straftatbestand erfüllt. Trotzdem handelt er so und nimmt die dadurch verursachte Rechtsgutsverletzung (beispielsweise die Tötung oder Körperverletzung eines anderen Menschen) billigend in Kauf.
Dabei muss sich der Vorsatz des Täters auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen, im Falle eines Totschlags beispielsweise auf die Tötung eines anderen Menschen“.
Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und Fahrlässigkeit
Der Eventualvorsatz ist die schwächste Form des Vorsatzes. Er genügt in der Regel, um eine Strafbarkeit zu bejahen. In bestimmten – gesetzlich klar geregelten – Fällen reicht der bedingte Vorsatz jedoch nicht aus.
So ist eine absichtliche schwere Körperverletzung im Sinne des § 226 II StGB auch nur dann als solche strafbar, wenn der Täter die schweren Verletzungen auch absichtlich verursacht. Hier genügt es also nicht, wenn er die Verletzungen lediglich billigend in Kauf nimmt.
In der Rechtsprechung und der juristischen Literatur ist umstritten, wann genau bedingter Vorsatz vorliegt und wann lediglich (bewusste) Fahrlässigkeit. Diese Frage ist für den Angeklagten vor großer Bedeutung, weil der Strafrahmen bei einer bloß fahrlässigen Begehung in der Regel deutlich geringer ausfällt:
Während beispielsweise eine vorsätzliche Tötung laut § 212 StGB mit einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren – und in schweren Fällen sogar mit lebenslang – bestraft wird, drohen dem Angeklagten bei einer fahrlässigen Tötung höchstens fünf Jahre oder eine Geldstrafe.
Die Rechtsprechung verlangt für einen bedingten Vorsatz das Vorliegen eines Willenselements. Das heißt, der Täter muss den Tatausgang nicht nur für möglich gehalten, sondern zumindest billigend in Kauf genommen haben. Vertraut der Täter stattdessen darauf, „dass schon alles gut gehen werde“, so handelt er lediglich fahrlässig.
Ein Beispiel: Ein Autofahrer sieht, dass ihm auf der linken Fahrbahn des Gegenverkehrs Autos entgegenkommen. Er schätzt, dass ihm 200 m für ein Überholmanöver bleiben und überholt den vor ihm fahrenden Lastwagen. Dabei vertraut er – im eigenen Interesse und auch im Interesse der nahenden Fahrzeuge – darauf, dass alles gut gehen wird und dass er rechtzeitig wieder auf seiner Fahrbahn einscheren kann.
Sein Vorhaben misslingt: Um eine Kollision zu vermeiden, bremst das entgegenkommende Auto ab und weicht dem Überholenden aus. Die Insassen des ausweichenden Fahrzeugs verletzen sich dabei. Der überholende Fahrer handelte ohne Vorsatz – er hat sich lediglich wegen fahrlässiger Körperverletzung strafbar gemacht.
Wer muss Vorsatz nachweisen?
Ein Angeklagte darf nur laut § 261 StPO dann wegen einer Straftat verurteilt werden, wenn das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass er die Tat auch wirklich begangen hat.
Diese Überzeugung bildet sich das Gericht nach der Anklage auf Grundlage der Beweisaufnahme, die in der Hauptverhandlung durchgeführt wird.
Anders formuliert: Es ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, nachzuweisen, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfene Straftat vorsätzlich begangen hat.
Aufgrund dieser Beweisaufnahme muss das Gericht schließlich zu der Überzeugung gelangen, dass der Täter war. Das funktioniert am einfachsten, wenn der Angeklagte ein glaubhaftes Geständnis ablegt. Das wie soll das Gericht in anderen Fällen Vorsatz nachweisen? Wie lässt sich beweisen, was zur Tatzeit im Kopf des Angeklagten vorging?
Denn das Gericht darf den Vorsatz nicht einfach unterstellen, sondern muss sich laut Bundesgerichtshof …
„mit der Persönlichkeit des Täters [auseinandersetzen] und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivation und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände – insbesondere die konkrete Angriffsweise – mit in Betracht“ ziehen.
[Quelle: BGH NJW 2018, 1621 (1623 Rn. 19)]
Die bloße Schutzbehauptung des Angeklagten, er habe von allem nichts gewusst oder er habe mit diesem Ausgang nicht gerechnet, wird vor Gericht in der Regel kaum überzeugen. Anstatt unbedachte – ungewollt selbst belastende – Äußerungen zu machen, sollten sich Beschuldigte lieber einen Strafverteidiger suchen.
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