FAQ: Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB
Die Sicherungsverwahrung ist laut Definition eine sogenannte freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung im Sinne von § 66 Strafgesetzbuch (StGB). Sie stellt also keine Strafe dar, sondern dient allein dem Schutz der Bevölkerung vor besonders gefährlichen Straftätern.
In Sicherungsverwahrung kommen nur bereits mehrfach verurteilte Straftäter, bei dazu neigen, immer wieder schwere Straftaten zu begehen, die für die Allgemeinheit besonders gefährlich sind. Und auch derart gefährliche Täter dürfen nur unter sehr strengen Voraussetzungen in Verwahrung genommen werden. Welche das sind, erfahren Sie hier.
Die Sicherungsverwahrung erfolgt zunächst zeitlich unbegrenzt. Das Gericht prüft aber regelmäßig, ob noch weiterhin eine so hohe Gefahr von dem Untergebrachten ausgeht, dass eine weitere Unterbringung gerechtfertigt ist. Näheres zur Dauer der Verwahrung erfahren Sie in diesem Abschnitt.
Inhaltsverzeichnis
Zwischen Prävention und Freiheitsentzug: Die Sicherungsverwahrung
Die Gefängnisstrafe verbüßt und trotzdem weiter hinter Gittern – das ist in Deutschland durchaus möglich. Denn das Gericht kann in besonderen Fällen anordnen, dass ein Straftäter zur Sicherungsverwahrung eingewiesen wird, nachdem er seine reguläre Freiheitsstrafe abgesessen hat. Diese Verwahrung in einer gesonderten Anstalt ist keine neue Strafe, sondern eine Präventivmaßnahme zum Schutze der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern.
Eben weil die Sicherungsverwahrung präventiv erfolgt und weil sie sehr stark die Grundrechte des Betroffenen beeinträchtigt, darf das Gericht sie nur unter sehr strengen Bedingungen anordnen. Auch für den Vollzug gelten besondere Regeln. Dieser Ratgeber bietet einen Überblick über die Maßregel der Sicherungsverwahrung.
Freiheitsentzug zum Schutz der Allgemeinheit
Es gibt Menschen, die nicht nur besonders schwere Straftaten begehen, sondern die darüber hinaus einen gewissen Hang haben, derartige Taten zu wiederholen. Der Gesetzgeber schützt die Allgemeinheit vor solchen Straftätern mithilfe der Sicherungsverwahrung gemäß den §§ 66 ff. StGB.
Das Strafgericht ordnet eine solche Verwahrung an, wenn die Gefährlichkeit des Täters im Rahmen einer Prognose festgestellt wurde. In diesem Fall bleibt der Verurteilte auch nach seiner verbüßten Haftstrafe eingesperrt. Er muss also seine Gefängnisstrafe erst in jedem Fall absitzen.
Die Sicherungsverwahrung beeinträchtigt die Grundrechte des Betroffenen in besonders starkem Maße. Deshalb ist sie nur unter sehr strengen Voraussetzungen und unter der strikten Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig.
- Bei erwachsenen Straftätern kann das Gericht die Verwahrung bereits im Urteil anordnen oder vorbehalten oder diese Maßregel nachträglich anordnen.
- Die Sicherungsverwahrung kann laut Jugendstrafrecht auch sehr junge Täter betreffen. Allerdings darf sie bei Jugendlichen nur nachträglich angeordnet werden, während bei Heranwachsenden ein Vorbehalt der Verwahrung im Urteil oder eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung möglich ist.
Vor Ende des Strafvollzugs muss das zuständige Gericht prüfen, ob eine angeordnete Verwahrung zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Wenn ja, setzt es eine Führungsaufsicht an.
Sicherungsverwahrung: Voraussetzungen des § 66 StGB
Die Anordnung einer Verwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB ist unter folgenden Bedingungen zulässig, die alle erfüllt sein müssen:
- Jemand wird aktuell zu einer mindestens zweijährigen Freiheitsstrafe wegen einer in § 66 Abs. 1 StGB benannten Straftat verurteilt.
- Der Täter wurde bereits in der Vergangenheit schon zweimal wegen einer solchen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt.
- Er hat bereits wegen dieser alten Taten mindestens zwei Jahre Haftstrafe verbüßt oder befand sich im freiheitsentziehenden Maßregelvollzug.
Eine Sicherungsverwahrung setzt immer zwingend voraus, dass der Verurteilte einen Hang zu erheblichen Straftaten hat und zum Zeitpunkt seiner Verurteilung eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt.
Zu den in § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB benannten Delikten zählen nur vorsätzliche Straftaten, die „gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung“ gerichtet sind. Dazu gehören insbesondere:
- Vorsätzlich begangene Tötungs- und Körperverletzungsdelikte wie zum Beispiel Mord, Totschlag oder gefährliche Körperverletzung
- Straftaten gegen die persönliche Freiheit, wie etwa Zwangsprostitution, Menschenhandel und Freiheitsberaubung
- Sexualstraftaten wie der sexuelle Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen sowie Vergewaltigung
Darüber hinaus kann ein Strafgericht laut § 66 Abs. 2 StGB die Sicherungsverwahrung auch anordnen:
- bei einer Verurteilung des Täters wegen drei verschiedener Straftaten im Sinne von §§ 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu jeweils mindestens einem Jahr Gefängnis,
- wenn eine dieser Strafen mindestens drei Jahre beträgt und
- wenn aufgrund der Neigung des Täters zu erheblichen Straftaten eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht.
Nach § 66 Abs. 3 S. 1 StGB kommt eine Sicherungsverwahrung auch in Betracht, wenn:
- jemand aktuell wegen einer erheblichen Straftat zu mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wird,
- er wegen einer solchen Straftat bereits einmal zu mindestens drei Jahren Haftstrafe verurteilt wurde und
- der Täter einen Hang zu erheblichen Straftaten hat und zum Zeitpunkt seiner Verurteilung eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt.
Eine Sicherungsverwahrung nach Absatz 3 erfolgt nur bei Verbrechen wie Mord, Totschlag, schwerer Körperverletzung oder schwerer sexueller Missbrauch von Kindern.
Ist die Sicherungsverwahrung verfassungsgemäß? Gesetzesreform nach Grundsatzurteil des BVerfG
Mit seinem Grundsatzurteil vom 4. Mai 2011 erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zahlreiche der damals geltenden Regelungen zur Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig. Die Verfassungsrichter erklärten sämtliche Regeln über die Anordnung und Dauer der Verwahrung im Strafgesetzbuch (StGB) und im Jugendgerichtsgesetz (JGG) für unvereinbar mit dem Grundgesetz (GG).
Außerdem verpflichteten sie den Gesetzgeber, binnen zwei Jahren einen neuen verfassungsgemäßen Gesetzesentwurf zu präsentieren. Die reformierten – in den obigen Abschnitten bereits erläuterten – Regelungen traten am 1. Juni 2013 in Kraft.
Abstandsgebot bei der Sicherungsverwahrung
Bevor verurteilte Straftäter im Maßregelvollzug untergebracht werden, müssen sie ihre Freiheitsstrafe verbüßen. Erst danach beginnt der Vollzug der Sicherungsverwahrung. Diese Präventivmaßnahme zielt darauf ab, die Allgemeinheit vor erneuten schwerwiegenden Straftaten zu schützen. Sie ist also keine Strafe.
Deshalb müssen Strafvollzug und der Vollzug der Sicherungsverwahrung strikt voneinander getrennt werden. Das bedeutet vor allem:
- Räumliche Trennung von Strafvollzug und Verwahrung – entweder in eigenen Abteilungen der Justizvollzugsanstalt oder in einer eigenen Anstalt
- Angebote insbesondere zur psychiatrischen, psycho- und sozialtherapeutischen Behandlung des Untergebrachten (auch individuell zugeschnittene Angebote, wenn standardisierte Behandlungen keinen Erfolg versprechen oder allein nicht genügen)
Wie lebt man in Sicherungsverwahrung? Weil die Untergebrachten eben keine Strafe verbüßen, muss sich die Sicherungsverwahrung deutlich vom Strafvollzug unterscheiden. Das Bundesverfassungsgericht spricht in seinem Grundsatzurteil von einem „freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug“. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel: eigene Wohn- und Schlafräume, intensive Therapieangebote sowie Behandlungs- und Gruppenmaßnahmen. All diese Möglichkeiten sollen den Untergebrachten helfen, wieder in ein freies Leben zurückzukehren oder erneut straffällig zu werden.
„Sicherheitsverwahrung“: Wie lange dürfen Straftäter in diesem Maßregelvollzug untergebracht werden?
Kann eine Sicherungsverwahrung aufgehoben werden? Die Sicherungsverwahrung erfolgt zunächst zeitlich unbegrenzt. Allerdings muss das Gericht bzw. dessen Strafvollstreckungskammer regelmäßig prüfen, ob noch weiterhin eine Gefahr von dem Untergebrachten ausgeht.
Wenn nicht, setzt es die weitere Vollstreckung zur Bewährung aus und ordnet eine Führungsaufsicht an. Wird diese Entscheidung nicht widerrufen, ist die Verwahrung danach endgültig erledigt.
Verbringt der Untergebrachte jedoch zehn Jahre in Sicherungsverwahrung, so erklärt das Gericht diese Maßregel für erledigt und der Betroffene wird entlassen.
Eine längere Unterbringung über diese Höchstdauer hinaus ist nur zulässig, wenn die Gefahr besteht, „dass der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden“ (siehe § 67d StGB).
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