Wer gesundheitliche Beschwerden hat, geht zum Arzt, in der Hoffnung, dass dieser sein Leiden heilen kann. Der Patient vertraut dem Mediziner das Wichtigste und Höchste an, was er besitzt: seine Gesundheit. Und das darf er auch.
Trotzdem fallen Patienten vom Operationstisch, werden OP-Klemmen nach einer Operation im Bauchbereich vergessen und eingenäht oder wird das gesunde falsche Knie operiert. Was wie ein Gruselmärchen klingt, beschäftigte tatsächlich schon die Gerichte.
Wann und inwieweit muss ein Arzt für seine Fehler bei der Diagnose und der Behandlung des Patienten gerade stehen und haften?
FAQ: Arzthaftung
Die Arzthaftung greift, wenn Mediziner ihrer Pflichten verletzen und Behandlungsfehler begehen.
Führt eine fehlerhafte Behandlung zu einem Gesundheitsschaden, kann ein Anspruch auf Entschädigung in Form von Schmerzensgeld bestehen.
In der Regel müssen die Geschädigten im Zuge des Zivilprozesses ihre Ansprüche beweisen. Bei groben Behandlungsfehlern gilt allerdings die sogenannte Beweislastumkehr, sodass Ärzte beweisen müssen, dass der Schaden nicht auf sie zurückzuführen ist. Mehr zur Beweislast erfahren Sie hier.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen der Arzthaftung: Wo ist das Arzthaftungsrecht geregelt?
In der § 1 der (Muster-) Berufsordnung für in Deutschland tätige Ärzte heißt es:
„Ärztinnen und Ärzte dienen der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Bevölkerung. [Ihre] Aufgabe […] ist es, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, …“
Wer sich in ärztliche Betreuung begibt, darf eine Behandlung erwarten, die dem aktuellen medizinischen Sachstand und dem Standard der Medizin entspricht. Der Arzt muss seinen Patienten also nach den geltenden Regeln der ärztlichen Kunst behandeln.
Hält sich der Arzt an diese Vorgaben nicht, so haftet er für dadurch entstehende Gesundheitsschäden. Diese Arzthaftung findet ihre Grundlagen im Bürgerglichen Gesetzbuch (BGB), und zwar an zwei Stellen:
- im Vertragsrecht auf der Grundlage des Behandlungsvertrags zwischen Arzt und Patient (§§ 630a ff. BGB)
- im Recht der unerlaubten Handlungen (§§ 823 ff. BGB), weil jeder Heileingriff zugleich auch eine vorsätzliche oder zumindest fahrlässige Körperverletzung darstellt, die nur straffrei bleibt, wenn der Patient wirksam im Sinne von § 228 Strafgesetzbuch (StGB) eingewilligt hat
Die Arzthaftung greift dann, wenn der Arzt seine Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt und einen Behandlungsfehler begeht. Der Patient kann Schadensersatz und Schmerzensgeld aber nur verlangen, wenn dieser Fehler einen Gesundheitsschaden verursacht.
Der ärztliche Behandlungsvertrag stellt einen Dienstvertrag dar. Der Arzt schuldet seinem Patienten nur eine Dienstleistung in Form einer sorgfältigen und fachgerechten Behandlung. Einen Heilerfolg bzw. eine erfolgreiche Behandlung der Grunderkrankung schuldet er hingegen nicht.
Welche Fehler begründen die Haftung von einem Arzt?
Der Arzt schuldet seinem Patienten „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt“. Was das im Einzelfall bedeutet, leitet sich aus dem medizinischen Standard des jeweiligen Fachgebiets ab, soweit Arzt und Patient nichts anderes vereinbart haben.
Der Arzt muss also das tun, was in der jeweiligen Situation aus berufsfachlicher Pflicht von einem sorgfältigen und gewissenhaften Mediziner des Fachgebiets erwartet werden kann. Verstößt der Arzt gegen diese Regeln, so spricht man von einem Behandlungsfehler.
Risiken im Vorfeld einschätzen und möglichst vermeiden
Der Arzt muss also das tun, was in der jeweiligen Behandlungssituation aus berufsfachlicher Pflicht geboten ist. Im Idealfall lässt sich ein Gesundheitsschaden und damit auch eine Arzthaftung schon im Vorfeld vermeiden:
Patienten sollten sich bei Zweifeln die Zweitmeinung eines anderen Arztes einholen und ihren behandelnden Arzt ausdrücklich nach Behandlungsalternativen fragen. Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist die wichtigste Grundlage für eine gelungene Behandlung.
Dies gilt insbesondere für riskante Eingriffe oder sensible Bereiche wie z. B. die Augen. Wer sich beispielsweise die Augen lasern lassen möchte, sollte sich im Vorfeld umfassend mit dieser Refraktiven Chirurgie bzw. LASIK-Operation befassen. Laut Lasikon.de ist jedes Laserverfahren mit Risiken verbunden, weshalb der Eingriff gut überlegt sein sollte.
Unterliegt die Arzthaftung der Verjährung?
Schadensersatzansprüche im Arzthaftungsrecht verjähren gemäß § 195 BGB nach drei Jahren. Die Frist beginnt am Ende des Jahres zu laufen, in dem der Geschädigte vom Schaden und der Person des Schädigers Kenntnis erlangt hat.
Nehmen wir das drastische Beispiel der im Bauch vergessenen OP-Klemme: Der Patient begibt sich nach der OP im Laufe des Jahres 2016 wegen starker Schmerzen zu einem anderen Arzt und wird geröntgt. Anschließend zeigt der Arzt dem Betroffene die Röntgenaufnahme, auf der die eingenähte Klemme zu sehen ist. In diesem Moment erfährt er von dem Behandlungsfehler. Er weiß auch, wer ihn operiert hat und kann dementsprechend nachvollziehen, wer den Fehler begangen hat.
Hier beginnt die Verjährung der Arzthaftung zu Silvester 2016. Ab diesem Moment hat der Geschädigte drei Jahre Zeit, um seine Ansprüche gegenüber dem Chirurgen geltend zu machen. Zu Silvester 2019 verjähren dann seine Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche.
Komplizierter wird es, wenn die Verjährungsfrist durch ein Gerichts- oder Schlichtungsverfahren gehemmt wird. Ein Schlichtungsverfahren endet mit der Zustellung des Schlichtungsspruchs. Dann wirkt die Hemmung für weitere sechs Monate. So regelt es § 204 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BGB.
Beweislastumkehr in der Arzthaftung – Was ist das und wann gilt sie?
Im Zivilrecht, zu dem auch das Arzthaftungsrecht gehört, gilt der Grundsatz, dass derjenige, der einen Anspruch geltend macht, auch darlegen und beweisen muss, dass ihm dieser tatsächlich zusteht. Der Patient, der im Wege der Arzthaftung Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend machen will, muss also folgende anspruchsbegründende Voraussetzungen beweisen:
- Behandlungs-, Diagnose- oder Aufklärungsfehler
- Gesundheits- bzw. Körperschaden oder ein materieller Schaden
- Ursachenzusammenhang zwischen dem Fehler und dem Schaden
Für Patienten gestaltet sich diese Beweisführung oft recht schwierig. Einerseits hat er nicht vollumfänglich Einsicht in das gesamte Geschehen. Andererseits ist er aufgrund informationeller Defizite oft nicht in der Lage, den erforderlichen Beweis zu erbringen. Der Arzt befindet sich aufgrund seines Wissensvorsprungs in der besseren Position: Er kennt die Akte, verfügt über die entsprechenden Fachkenntnisse, weiß genau, was während der OP vor sich geht, wenn der Patient unter Narkose steht. Dieser weiß das alles in der Regel nicht oder nur zum Teil.
Um diese unterlegene Stellung des Patienten im Arzthaftungsprozess auszugleichen, hat die Rechtsprechung verschiedene Grundsätze zu einer Beweislastumkehr eingeführt. Sie soll die Beweisschwierigkeiten des Patienten ausgleichen.
Zu seinen Gunsten werden bestimmte Tatsachen vermutet, die seinen Schadensersatzanspruch begründen. Dann obliegt es dem beklagten Arzt, sich zu entlasten und die für ihn nachteilige Vermutung zu widerlegen.
Eine besondere Rolle in der Arzthaftung spielt hier der grobe Behandlungsfehler. Kann der Patient beweisen, dass der Arzt einen solchen groben Fehler gemacht hat, so muss der Arzt den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Schaden widerlegen. Er muss also beweisen, dass der Schaden nicht auf seinem Fehler beruht.
Lena_Ma sagt
Einen Anwalt für Medizinrecht sollte man sofort aufsuchen. Klar sind es meistens kleinere Behandlungsfehler, aber es gibt auch größere. Schadensersatz ist das Mindeste, was man verlangen sollte.
Jan Di sagt
Danke für den Blog und die wertvollen Informationen zu dem Arzthaftungsrecht. Mir wurde letztens der Blinddarm entfernt und wie es sich herausgestellt hat, habe ich wegen dieser Operation nun einen Dammbruch erlitten. Die nächste Operation dafür wird noch besprochen. Da ich gegen den Arzt vorgehen möchte, der mich behandelt hat, suche ich mir dafür noch einen Anwalt für Behandlungsfehler.
Maria S sagt
Gut zu wissen, dass in diesem Gebiet die Beweisführung besonders notwendig ist. Einem Chirurgen ist bei mir ein Operationsfehler unterlaufen, den man auch sicher beweisen kann. Dafür wende ich mich heute an einen Anwalt für das Arzthaftungsrecht.
Alexander B sagt
Sehr interessanter Beitrag über den Behandlungsfehlern und die Arzthaftung. Es war für mich immer interessant zu wissen, welche Rechte Patienten im Fall von ärztlicher Fehler habe. Gut zu wissen, dass es auch eine unabhängige Patientenberatung existiert, die für die Patientenrechten steht.