Wer einer Straftat zum Opfer gefallen ist, hat oft lange mit deren Nachwirkungen zu kämpfen. Der Strafprozess gegen den Straftäter kostet Kraft und auch eine Menge Mut.
Oft stehen dem Geschädigten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zu, die eigentlich in einem zweiten – zivilrechtlichen – Prozess geltend gemacht werden müssen. Opfer können sich diesen doppelten Kraftakt ersparen, indem sie ein Adhäsionsverfahren durchlaufen.
Was es damit auf sich hat, wann dieses Verfahren möglich ist und wie es funktioniert, erklärt der folgende Ratgeber.
FAQ: Adhäsionsverfahren
Durch das Adhäsionsverfahren können zivilrechtliche Ansprüche im Strafverfahren geltend gemacht werden, ohne das dafür ein gesonderter Zivilprozess inklusive Zivilklage notwendig ist.
Antragsberechtigte ist nur der Verletzte bzw. Geschädigte. Hier lesen Sie, was Sie bei der Beantragung eines Adhäsionsverfahrens beachten müssen.
Durch ein Adhäsionsverfahren muss sich das Opfer nicht in zwei unterschiedlichen Prozessen mit der Tat noch einmal auseinandersetzen.
Inhaltsverzeichnis
Was ist das Adhäsionsverfahren – Vorteile und Erleichterungen für das Opfer
Während die Strafverfolgung eine Frage des Strafrechts ist, gehören Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zum Zivilrecht. Für diese beiden Rechtsgebiete sind unterschiedliche Gerichte zuständig. Während sich das Strafgericht damit auseinandersetzt, ob der Angeklagte eine bestimmte Straftat begangen hat, entscheidet das Zivilgericht, ob dem Kläger – in diesem Fall dem Opfer der Straftat – bestimmte Ansprüche gegen den Beklagten – den Täter bzw. Schädiger – zustehen.
Das heißt, Opfer einer Straftat müssten sich eigentlich an ein Zivilgericht wenden, wenn der Schädiger sie nicht freiwillig angemessen entschädigt. Das Strafverfahren und der zivilrechtliche Prozess liefen parallel nebeneinander und könnten sogar zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass der Zivilrichter nicht an die Entscheidung des Strafrichters gebunden ist.
Um dem Geschädigten leichter zu seinem Recht zu verhelfen, hat der Gesetzgeber das Adhäsionsverfahren eingeführt. Auf diesem Wege können (zivilrechtliche) Schadensersatzansprüche, z. B. wegen Körperverletzung im Strafverfahren geltend gemacht werden, ohne dass es eines weiteren Prozesses vor dem Zivilgericht bedarf.
Dieser Schadensausgleich im Strafverfahren schont die Nerven des Betroffenen und ist außerdem weitaus kostengünstiger. Im Grunde handelt es sich hierbei um einen zivilrechtlichen Prozess innerhalb eines Strafprozesses. Der Strafrichter entscheidet also nicht nur über die Freiheitsstrafe oder Geldstrafe des Angeklagten, sondern auch über zivilrechtliche Ansprüche des Opfers.
Geregelt ist das Adhäsionsverfahren in der StPO (Strafprozessordnung), und zwar in den §§ 403 ff.
Adhäsionsverfahren: Unter welchen Voraussetzungen ist dieses möglich?
In § 403 StPO heißt es:
“Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und nicht anderweitig gerichtlich anhängig ist, im Strafverfahren geltend machen, im Verfahren vor dem Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes.”
Es müssen demnach folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es geht um die Durchsetzung eines vermögensrechtlichen Anspruchs, also z. B. Schadensersatz oder Schmerzensgeld.
- Der Anspruch ist noch nicht “anderweitig gerichtlich anhängig”, wurde also noch nicht anderweitig vor einem Gericht geltend gemacht.
- Der Beschuldigte bzw. Angeklagte war zur Tatzeit mindestens 18 Jahre alt. Nach § 81 Jugendgerichtsgesetz (JGG) findet das Adhäsionsverfahren im Jugendstrafrecht gegen Jugendliche keine Anwendung.
Wer kann einen Adhäsionsantrag stellen und was ist dabei zu beachten?
Der für das Adhäsionsverfahren erforderliche Antrag ist in § 404 StPO geregelt. Antragsberechtigt ist lediglich der Verletzte bzw. der Geschädigte als Inhaber des Anspruchs sowie dessen Erben.
- Der Antrag kann im Strafverfahren, also auch schon vor der Hauptverhandlung gestellt werden.
- Er ist schriftlich, zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu stellen oder mündlich in der Hauptverhandlung.
- Der Adhäsionsantrag muss den Gegenstand und den Grund des geltend gemachten Anspruchs bezeichnen. Außerdem sind alle Beweismittel darin zu benennen.
- Der Verletzte kann übrigens seinen Antrag bis zur Urteilsverkündung zurücknehmen. Damit eröffnet er sich die Möglichkeit, anschließend Schadenersatz und Schmerzensgeld im Zivilverfahren geltend zu machen.
Anwaltszwang herrscht im Adhäsionsverfahren übrigens nicht. Es macht aber Sinn, sich von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen, weil dieser den Sachverhalt rechtlich am besten beurteilen kann.
Außerdem ist ein Anwalt besser in der Lage, einen schlüssigen und erfolgreichen Antrag vorzubereiten. Denn nur er kann die Akteneinsicht zur Vorbereitung des Verfahrens beantragen. Ohne eine solche Akteneinsicht lässt sich der Adhäsionsantrag aber nur schwer schlüssig und ausreichend begründen.
Adhäsionsantrag – Muster zum kostenlosen Download
Im Folgenden können Sie sich den für das Adhäsionsverfahren erforderlichen Antrag als Muster herunterladen. Bitte beachten Sie, dass es sich hierbei nur um ein Beispiel zur Veranschaulichung handelt. Es kann und soll keine Rechtsberatung ersetzen und erhebt auch keinen Anspruch auf Richtigkeit oder Vollständigkeit.
Antrag im Adhäsionsverfahren
Name und Anschrift
des Antragstellers
Name und Anschrift
des Amtsgerichts
Ort, Datum
Strafsache gegen [Vorname, Nachname] wegen [Benennung der Straftat, z. B. Körperverletzung]
Aktenzeichen:
In dem Strafverfahren gegen [Vorname, Nachname] wegen [Benennung der Straftat, z. B. Körperverletzung] stelle ich [vollständiger Name und Anschrift des Antragstellers]
den Antrag auf Durchführung des Adhäsionsverfahrens zur Geltendmachung meiner vermögensrechtlichen Ansprüche im Strafverfahren.
Ich beantrage, den Beschuldigten zur Zahlung von
- Schadensersatz in Höhe von … Euro
- sowie eines Schmerzensgeldes, dessen Höhe ich in das Ermessen des Gerichts stelle, zu verurteilen.
Ich bin der Geschädigte in dem vorbezeichneten Strafverfahren. Hinsichtlich des Tathergangs verweise ich auf den Inhalt der Ermittlungsakten und auf meine Angaben als Zeuge.
Die Höhe der im Adhäsionsverfahren geltend gemachten Ansprüche begründe ich wie folgt:
[schlüssige und nachvollziehbare Darstellung des Sachverhalts, welcher den Anspruch begründet]
Als Beweismittel füge ich bei bzw. benenne ich:
- Zeuge: [vollständiger Name und Anschrift]
- Zeuge: [vollständiger Name und Anschrift]
- ärztliches Attest über die durch die Straftat erlittenen Verletzungen und Gesundheitsschäden
- Kaufbeleg oder Kaufvertrag für die beschädigte Sache
Mit freundlichen Grüßen
[Unterschrift Antragsteller]
Adhäsionsverfahren: Kosten und Vorteile für den Antragsteller
Der Schadensausgleich im Strafverfahren via Adhäsion bringt einige Vorteile mit sich. Einerseits spart sich der Verletzte ein zweites zeit- und kräfteraubendes Verfahren. Andererseits minimiert sich auch das Kostenrisiko. Denn im Zivilprozess müsste der Verletzte als Kläger einen Prozesskostenvorschuss leisten. Im Adhäsionsverfahren entfallen diese Gebühren.
Hinsichtlich der Adhäsionskosten gilt außerdem folgendes:
- Dem Verletzten können Kosten für die Beauftragung eines Anwalts entstehen.
- Auch bei Gericht können aufgrund des Antrags höhere Kosten verursacht werden. Wie hoch diese ausfallen, lässt sich pauschal nicht sagen.
- Wenn das Strafgericht dem Antrag des Geschädigten stattgibt, so hat der Angeklagte die Kosten zu tragen.
- Anderenfalls entscheidet das Gericht darüber, wer die Kosten übernehmen muss.