FAQ: Eventualvorsatz
Laut Definition liegt bedingter Vorsatz vor, wenn der Täter den Schadenseintritt (tatbestandlicher Erfolg), beispielsweise die Tötung einer anderen Person, ernsthaft für möglich hält und wenn er dies zumindest billigend in Kauf nimmt.
Bewusste Fahrlässigkeit und bedingter Vorsatz unterscheiden sich durch das sogenannte Willenselement, also durch die Frage, ob und inwieweit der Täter die Folgen seines Handelns auch wollte. An dieser Stelle finden Sie eine ausführlichere Erklärung.
Ja. Stellt das Gesetz ein bestimmtes vorsätzliches Handeln (oder Unterlassen) unter Strafe, beispielsweise eine einfache Körperverletzung oder die Tötung eines anderen Menschen, so genügt bereits ein nachgewiesener Eventualvorsatz für eine Verurteilung. Verlangt das Gesetz jedoch eine andere Form des Vorsatzes – die Absicht oder Wissentlichkeit – so genügt ein bedingter Vorsatz nicht.
Inhaltsverzeichnis
Wann liegt bedingter Vorsatz vor? – Beispiel aus der Rechtsprechung
Nach § 15 StGB ist nur vorsätzliches Handeln strafbar, es sei denn, das Gesetz stellt fahrlässiges Handeln ausdrücklich unter Strafe. Außerdem werden fahrlässig begangene Straftaten nicht so schwer bestraft wie vorsätzlich begangene Delikte.
Für den Täter ist deshalb die Frage, ob ihm zumindest bedingter Vorsatz nachgewiesen werden kann, von großer Bedeutung. Wir wollen die Frage nach dem Vorliegen von Eventualvorsatz an einem Beispiel aus der Rechtsprechung veranschaulichen:
Zwei Männer liefern sich nachts spontan ein illegales Wettrennen auf dem Kurfürstendamm in Berlin. Sie ignorieren mehrere rote Ampeln und erreichen am Ende eine Geschwindigkeit von 160 bis 170 km/h. Schließlich kollidiert einer der Raser ungebremst mit einem anderen Auto, das bei Grünlicht auf eine Kreuzung einfährt. Dessen Fahrer stirbt noch am Unfallort.
Dass sich beide Raser wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs strafbar gemacht haben, ist unproblematisch. Allerdings wurde der Raser, der den Tod eines unbeteiligten Autofahrers verursacht hat, auch wegen Mordes verurteilt. Dafür muss ihm allerdings bedingter Vorsatz hinsichtlich der Tötung des Autofahrers und bezüglich der Mordmerkmale nachgewiesen werden.
Im Fall der sogenannten „Ku’damm-Raser“ stellte der Bundesgerichtshof klar, dass solche Autorennen (mit tödlichem Ausgang) keine typischen Tötungsdelikte seien, bei dem gezielt ein Opfer aufs Korn genommen wird. Deshalb müssen in einem solchen Fall immer alle objektiven und subjektiven Umstände der Tat genau unter die Lupe genommen werden. Das Rasen als äußerst gefährliche Handlung kann zwar ein Indiz für bedingten Vorsatz sein, ausschlaggebend bleiben aber immer die Umstände des Einzelfalls.
Was ist bedingter Vorsatz? – Definition
Der Vorsatz beinhaltet nach der herrschenden Auffassung ein Wissens- und ein Willenselement. Er wird gemeinhin als „Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Umstände“ definiert (BGHSt 19, 295 ff.).
Auch ein bedingter Vorsatz (lat.: „dolus eventualis“) erfordert ein solches Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Eventualvorsatz liegt laut Definition nur dann vor, wenn der Täter die Folge seines Handelns – im obigen Fall den Tod des Autofahrers – billigend in Kauf genommen hat oder wenn es ihm gleichgültig war.
In dem Ku’damm-Raser-Fall sieht der Bundesgerichtshof den bedingten Tötungsvorsatz des Fahrers für „tragfähig begründet“. Nach Ansicht der Richter war es in dem Fall zulässig, von …
„… der außergewöhnlichen Gefährlichkeit des Fahrverhaltens des Angeklagten und der damit einhergehenden und von ihm erkannten Unfallträchtigkeit auf die billigende Inkaufnahme eines schweren Verkehrsunfalls mit tödlichen Folgen für den Unfallgegner und damit auf ein bedingt vorsätzliches Handeln dieses Angeklagten [zu schließen].“
[Quelle: BGH, Pressemitteilung Nr. 078/2020 zu Az. 4 StR 482/19]
Ein bedingter Vorsatz war nach Auffassung des BGH auch deshalb ausreichend erwiesen, weil der Angeklagte erkannt hatte, dass er das Rennen „nur bei maximaler Risikosteigerung auch für Dritte unter Zurückstellung aller Bedenken gewinnen“ hätte gewinnen können. Diese Folgen seines hochgefährlichen Fahrverhaltens waren ihm jedoch gleichgültig.
Im Übrigen sah der BGH die Mordmerkmale der „niedrigen Beweggründe“ – das Ziel, das illegale Rennen zu gewinnen – und „Heimtücke“ als gegeben.
Eventualvorsatz und bewusste Fahrlässigkeit – Abgrenzung
Eine saubere Abgrenzung, wann bedingter Vorsatz und wann bewusste Fahrlässigkeit vorliegt, gelingt nur mithilfe des oben erwähnten Willenselements.
Allein das Wissenselement genügt laut Rechtsprechung und herrschender Meinung dafür nicht, weil auch der bewusst fahrlässig Handelnde um die Möglichkeit der Konsequenzen seines Handelns – im obigen Beispielfall von der möglichen Tötung anderer Verkehrsteilnehmer – weiß.
Insbesondere im Hinblick auf den deutlichen höheren Strafrahmen für vorsätzlich begangene Straftaten kann es nicht gleichgültig sein, welche Überlegungen und Beweggründe den Täter zum Handeln bewogen haben.
Die folgende Gegenüberstellung hilft, bedingt vorsätzliches und bewusst fahrlässiges Verhalten zu unterscheiden:
Bedingter Vorsatz:
- Wissenselement: Der Täter kennt die Gefahren und möglichen Folgen seines Handelns.
- Willenselement: Der Täter nimmt mögliche Schäden – zum Beispiel den Tod eines anderen Menschen – zumindest billigend in Kauf. Er muss diesen Schadenseintritt nicht für gut befinden. Es genügt vielmehr, wenn er sich damit abfindet, auch wenn dieser Schaden unerwünscht ist.
Bewusste Fahrlässigkeit:
- Wissenselement: Der Täter kennt die Gefahren und möglichen Folgen seines Handelns.
- Willenselement: Der Täter möchte niemandem Schaden zufügen. Er vertraut stattdessen ernsthaft darauf, dass schon alles gut gehen werde bzw. dass niemand durch sein Verhalten zu Schaden kommt.
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