Der Staatsanwaltschaft stehen im Rahmen ihrer Ermittlungsarbeit zahlreiche Mittel zur Verfügung, die die Informationsbeschaffung beschleunigen oder aber Zeugen vor der Bedrohung durch die Täter schützen sollen. Während die Untersuchungshaft vor allem vor Flucht- oder Verdunklungsgefahr einer Straftat schützen soll, dient die sogenannte Erzwingungshaft einem anderen Zweck.
Im Rahmen von Ordnungswidrigkeitenverfahren, wo sie der Eintreibung offener Geldbußen dienen soll, erfüllt sie im Strafrecht eine andere Aufgabe.
Doch was genau bedeutet Erzwingungshaft in diesem Zusammenhang? Ist bei der Beugehaft die Dauer begrenzt? Und wie können Betroffene die begrenzte Haft umgehen?
FAQ: Erzwingungshaft
Die Erzwingungshaft dient im Strafrecht dazu, Informationen von Verfahrenszeugen zu erzwingen. Diese kommt etwa zum Einsatz, wenn ein Zeuge ohne Zeugnisverweigerungsrecht keine Aussage tätigt.
Unabhängig von der Dauer der Strafverfolgung ist die Erzwingungshaft auf maximal sechs Monate begrenzt.
Die Unterbringung hinter Gittern geht ebenso wie bei einer regulären Freiheitsstrafe pro Häftling und Tag mit Kosten in Höhe von rund 140 Euro einher.
Inhaltsverzeichnis
Erzwingungshaft im Strafrecht – Was ist das eigentlich?
Wird ein Betroffener von einem Erzwingungshaftverfahren überrascht, ist meistens nicht sofort klar, was das genau für ihn bedeutet. Der Begriff verweist bereits darauf, dass hierbei eine Handlung des Gefangenen erzwungen werden soll – über die Haftableistung im Strafvollzug. Doch anders als bei Ordnungswidrigkeiten geht es bei der Beugehaft per Definition nicht um offene Zahlungsleistungen.
Die Erzwingungshaft soll nach strafrechtlicher Maßgabe den Willen des Betroffenen beugen – deshalb auch Beugehaft – sodass er die verpflichtende Aussage tätigt.
Sie ist damit eng mit der Zeugnis- und Eidesverweigerung verknüpft. Obwohl das für den Laien nach einer Form der Erpressung klingen mag: Die Erzwingungshaft ist nicht rechtswidrig, da sie der Durchsetzung einer Zeugenpflicht dienen soll – der Aussagepflicht nach § 48 Absatz 1 Strafprozessordnung.
Mögliche Konsequenz der Zeugnisverweigerung
Grundsätzlich sind Zeugen zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet, wenn sie Kenntnisse besitzen, die einen Sachverhalt aufklären können. Diese Verpflichtung entfällt nur in wenigen Ausnahmefällen.
Von dem sogenannten Zeugnisverweigerungsrecht können Zeugen in aller Regel nur dann Gebrauch machen, wenn sie in enger verwandtschaftlicher Beziehung zu dem Beschuldigten stehen (z. B. Vater, Bruder, Sohn) oder mit diesem verheiratet sind.
Mitunter kann auch ein Verlöbnis ausreichen, um eine möglicherweise belastende Aussage rechtmäßig zu verweigern – sofern dieses bereits zum Tatzeitpunkt bestand hatte.
Darüber hinaus sind Sie grundsätzlich nicht zur Aussage verpflichtet, wenn Sie sich dadurch selbst schwer belasten müssten. Waren Sie etwa nicht nur Zeuge bei der Schlägerei, für die ein Freund angeklagt wurde, sondern Beteiligter, müssen Sie diesen Fakt nicht automatisch eingestehen. Sie können hierzu schweigen.
Für alle anderen Personen gilt: Sie müssen aussagen, auch wenn sie dadurch den Beschuldigten schwer belasten würden. Der ein oder andere ist jedoch geneigt, das Zeugnis zu verweigern – obwohl kein gesetzlicher Grund dies stützt. Angst, falsch verstandene Loyalität, Liebe: Die Gründe sind so vielfältig wie die Menschen.
Viele sind sich in diesem Fall aber der Konsequenzen ihres Handelns nicht so ohne weiteres bewusst. Nach Strafprozessordnung (StPO) kann das Gericht unterschiedliche Maßnahmen verhängen, die die unrechtmäßige Zeugnisverweigerung zur Folge hat. Hierzu gehören:
- Auferlegung der durch die Weigerung verursachten Kosten (§ 70 Absatz 1 Satz 1 StPO)
- Verhängung eines Ordnungsgeldes oder – bei Unmöglichkeit der Eintreibung – Ordnungshaft (§ 70 Absatz 1 Satz 2 StPO)
- Erzwingung des Zeugnisses durch Anordnung von Beugehaft (§ 70 Absatz 2 StPO)
Schlimmstenfalls können auch alle drei Anordnungen zugleich gegen den Zeugen verhängt werden.
Grundsätzlich ist die Verhängung von Erzwingungshaft nicht nur im Hauptverfahren möglich, sondern kann auch schon im Vorverfahren oder durch jeden anderen beauftragten und befugten Richter bestimmt werden (§ 70 Absatz 3 StPO). Eines Antrages von Seiten der Ermittler bedarf es in der Regel nicht, um für die verhängte Erzwingungshaft einen Haftbefehl durchzusetzen.
Was ist, wenn Erzwingungshaft bestimmt wurde? Ablauf und Dauer der Zivilhaft
Nachdem der zuständige Richter den Erzwingungshaftbefehl ausgestellt hat, wird dieser dem betroffenen Zeugen zugestellt. In diesem ist eine Frist angegeben, innerhalb derer sich der mit Beugehaft belegte Zeuge bei der zuständigen Polizeibehörde oder Vollzugsanstalt einfinden muss, um die Haft anzutreten. Versäumt er diesen Termin, kann die Vollstreckung der Erzwingungshaft auch zwangsweise erfolgen, sodass die Personenfahndung und die Verhaftung drohen.
Bei der Beugehaft handelt es sich allerdings per Definition nicht um eine Freiheitsstrafe, sondern um eine sogenannte “Zivilhaft”.
Für den Ablauf der Beugehaft ist in Deutschland vor allem eine gesetzliche Grundlage von Bedeutung: das Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung – kurz: Strafvollzugsgesetz (StVollzG). Hierin sind sämtliche Bestimmungen getroffen, die die Aufenthalte der Häftlinge in den Vollzugsanstalten regeln sollen.
Nach § 171 StVollzG ist der Anwendungsbereich des Strafvollzugsgesetzes bei Zivilhaftformen eingeschränkt. Maßgeblich sind hier §§ 3 – 49, 51, 121, 179 sowie 187 StVollzG. Die ersten Paragraphen beschäftigen sich dabei mit der allgemeinen Gestaltung und Aufnahme in den Vollzug.
Wichtige Vorgaben für die Ableistung der Beugehaft sind:
- Der Häftling darf nur bei Zustimmung mit “kriminellen” Insassen zusammengelegt werden.
- Bei der Erzwingungshaft müssen die Betroffenen keine Anstaltskleidung tragen.
- Es besteht keine Verpflichtung zur Arbeitsaufnahme im Vollzug.
- Die Kosten für die Erzwingunghaft werden dem Betroffenen in aller Regel nicht auferlegt. Für die Kosten des Verfahrens über die Erteilung der Beugehaft gilt dies nicht.
- Besuche, Post und Telekommunikation können von der Anstaltsleitung überwacht und begrenzt werden.
- Hafturlaub ist nur in seltenen Ausnahmefällen möglich.
- Die Ableistung der Beugehaft kann nicht automatisch im offenen Vollzug erfolgen.
Besonders die letzten beiden Aspekte sind eng mit der Dauer der Beugehaft verbunden.
Erzwingungshaft: Welche Dauer kann sie haben?
Wie bei allen Formen der Zivilhaft und der Untersuchungshaft ist die Dauer, für die der Betroffene eingesperrt werden darf, streng begrenzt. Für die Beugehaft ist hierbei § 70 Absatz 2 StPO maßgeblich:
“Auch kann zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft angeordnet werden, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Verfahrens in dem Rechtszug, auch nicht über die Zeit von sechs Monaten hinaus.”
Das bedeutet: Länger als sechs Monate kann das Gericht Ihnen keine Beugehaft auferlegen – selbst wenn das zugrunde liegende Verfahren weit länger dauert. Anders als bei der U-Haft sind auch keine Umstände möglich, die eine Verlängerung rechtfertigen könnten. Ist das Verfahren schneller beendet, so erfolgt zugleich auch die Aufhebung der bestimmten Erzwingungshaft.
Welche Auswirkung hat die Dauer der Beugehaft nun auf die Entscheidung für und wider den offenen Vollzug und den Hafturlaub?
- Bei Beugehaftmaßnahmen unter drei Tagen wird dabei in aller Regel offener Vollzug angeordnet. Bei darüber liegenden Aufenthalten im Gefängnis muss dies zunächst eingehend geprüft werden.
- Hafturlaub kann in aller Regel erst frühestens nach sechs Monaten Haft gewährt werden. Da die Erzwingungshaft nicht länger als sechs Monate dauern darf, ist der Hafturlaub damit zumeist nicht möglich – solange keine gravierenden Gründe dafür sprechen.
Doch gibt es Möglichkeiten, die Erzwingungshaft zu umgehen?
Wie können Sie die Erzwingungshaft abwenden?
Was ist, wenn die Beugehaft bereits angeordnet wurde? Können Sie Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen? Besteht die Möglichkeit, die Zivilhaft gegen Leistung einer Zahlung zu umgehen?
Zunächst: Gegen gerichtliche Entscheidung stehen eine Reihe von Rechtsmitteln zur Verfügung, mit deren Hilfe die Betroffenen die Neuprüfung und Abwendung der Verurteilung durchsetzen können.
Im Falle der Beugehaft können Sie gegen das ergangene Urteil eine Beschwerde nach § 304 StPO einreichen. Das höherinstanzliche Gericht wird die Entscheidung sodann prüfen und die Rechtsbeschwerde zurückweisen oder bestätigen. Bei Zurückweisung steht im Falle der Erzwingungshaft ggf. auch noch die weitere Beschwerde nach § 310 StPO zur Wahl.
Für die Beschwerde haben Sie in der Regel eine Woche ab Ergehen der Entscheidung Zeit. Läuft die Frist ab, ohne dass das Rechtsmittel eingelegt wurde, ist die Entscheidung rechtskräftig. Bei der weiteren Beschwerde (auch Haftbeschwerde) ist keine Frist festgeschrieben.
Das bedeutet, dass die Prüfung des Rechtsmittels auch erfolgen kann, wenn Sie die Beugehaft bereits haben antreten müssen. Es ist damit also nicht möglich, die Haftmaßnahme durch eine Beschwerde zu verzögern.
Ist die Entscheidung bereits rechtskräftig, sind Rechtsmittel in aller Regel nicht mehr möglich. Das bedeutet, sie müssen die Haft antreten.
Verweigern Sie die Aussage auch weiterhin, kann Ihnen die Erzwingungshaft nur einmal angeordnet werden. Haben Sie also bereits eine maximal sechsmonatige Beugehaft abgeleistet, kann das Gericht keine weitere Zivilhaft androhen.
Sebastian S sagt
“Darüber hinaus sind Sie grundsätzlich nicht zur Aussage verpflichtet, wenn Sie sich dadurch selbst schwer belasten müssten.
Waren Sie etwa nicht nur Zeuge bei der Schlägerei, für die ein Freund angeklagt wurde, sondern Beteiligter, müssen Sie diesen Fakt nicht automatisch eingestehen. Sie können hierzu schweigen.”
Sitzt der Zeuge im o. a. Fall nicht gewissermaßen in der Falle?
Er hat das Schweigerecht, ist jedoch nachweislich kein Angehöriger des Angeklagten – da zählt das Gericht doch „Zwei und Zwei zusammen“ und der Zeuge ist als Mittäter entlarvt… oder?
Egal sagt
Ich würde mich mit ALLEN Maßnahmen gegen die erzwinungshaft währen
R. sagt
Was ist mit Erzwingungshaft im Hinblick auf Vollzugslockerungen. Wären diese eine “Vergünstigung” die dem Zweck der Erzwingungshaft (Druckmittel) zuwiderliefe?
Gerhard sagt
Darf ich bei Weigerung der Mitwirkungspflicht im Insolvenzverfahren, konkret geht es um eine Abgabe einer Auslandsvolmacht, bei Vollzug des Haftbefehls durch den Gerichtsvollzieher in Handschellen abgeführt werde? Ist dies rechtlich zulässig?
Marko sagt
Wie oft und wie lange kann man in Beugehaft kommen, wenn man die wohl kommende Impfpflicht, mit Gen- Gift, immer wieder verweigert, um nicht vergiftet zu werden?
Marc sagt
Hast du den Artikel überhaupt gelesen?
Benjamin sagt
Im Artikel steht “Verweigern Sie die Aussage auch weiterhin, kann Ihnen die Erzwingungshaft nur einmal angeordnet werden.”
Dies bezieht sich auf einen einzigen Fall. Marko bezieht sich auf mehrere Fälle. Dies wird im Text nicht beantwortet, aber ich würde davon ausgehen, dass für JEDEN Fall, Beugehaft von bis zu 6 Monaten verhängt werden kann. Für jeden Fall (nur) ein Mal. Käme eine Impfplicht und würden mehrere Verweigerungen rechtlich als mehrere Fälle definiert, können, das ist meine Vermutung, mehrere Beugehaften drohen.
Günter B sagt
Hallo, kann die Verteidigung in einem Strafprozess Beugehaft bei einem Zeugen beantragen?