FAQ: § 25 Abs. 2 StGB
Ein wesentliches Merkmal für die Mittäterschaft ist die gemeinsame Tatausführung aufgrund eines gemeinsamen Tatplans. Hier lesen Sie eine ausführliche Erklärung.
Ein Täter hat mit einer Straftat begonnen, als eine weitere Person hinzukommt. Sie beschließen, die Straftat gemeinsam zu beenden. An dieser Stelle erfahren Sie mehr.
Im Strafrecht gibt es keine Komplizenschaft, sondern nur Täterschaft, Anstiftung und Beihilfe. Umgangssprachlich werden Mittäter und Gehilfen als Komplizen bezeichnet.
Ausschlaggebend dafür, ob jemand Mittäter oder Gehilfe ist, sind der Grad des Eigeninteresses an der Tat, die konkrete Art und Weise der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft. Mittäter ist, wer die Tat als seine eigene ansieht und aktiv auf das Tatgeschehen Einfluss nimmt.
Inhaltsverzeichnis
Was versteht man unter Mittäterschaft?
Nicht immer ist es ein Einzeltäter, der einen Straftatbestand vollständig eigenhändig verwirklicht. Häufig begehen mehrere Personen zusammen eine Straftat, beispielsweise in folgendem Fall:
Die zwei Männer X und Y planen zusammen einen Raub und setzen ihr Vorhaben auch gemeinsam um: X hält das Tatopfer Z fest, während Y dem Z Armbanduhr und Portemonnaie abnimmt. Hier bilden erst beide Tathandlungen zusammen den Raub – das Festhalten als Gewaltanwendung und die Wegnahme der Sachen.
Damit sind X und Y Mittäter: Sie haben gemeinsam einen Tatplan entwickelt und den Raub gemeinschaftlich begangen. Jeder von ihnen hat als gleichberechtigter Partner seinen Tatbeitrag geleistet.
Eine Mittäterschaft zeichnet sich demnach durch folgende Merkmale aus:
- Gemeinsamer Tatentschluss bzw. Tatplan: Alle Tatbeteiligten sind mit dem gemeinsamen Vorgehen einverstanden.
- Gemeinsame Tatausführung: Jeder Mittäter leistet seinen Tatbeitrag. Dabei ist es nicht erforderlich, dass er die eigentliche Tathandlung selbst durchführt.
- Täterqualifikation: Eine Mittäterschaft kommt nur bei Personen in Frage, die auch Alleintäter sein können. So können Amtsdelikte wie die Falschbeurkundung oder Körperverletzung im Amt nur von Amtsträgern begangen werden – mit der Folge, dass auch nur ein Amtsträger Mittäter sein kann.
Liegen diese Bedingungen vor, so wird jedem Mittäter das arbeitsteilige Handeln des jeweils anderen zugerechnet. Er wird so behandelt, als hätte er den Tatbeitrag des anderen selbst geleistet. Jeder von ihnen wird laut § 25 II StGB wie ein Täter bestraft. Das hat zur Folge, dass ein Mittäter zum Beispiel wegen Totschlags oder Mordes bestraft werden kann, obwohl er das Opfer gar nicht selbst getötet hat.
Gemeinsamer Tatentschluss und sukzessive Mittäterschaft
Eine Voraussetzung der Mittäterschaft ist, dass mindestens zwei Personen miteinander verabreden, einvernehmlich und gemeinsam eine bestimmte vorsätzliche Straftat zu begehen. Dabei sind sie sich einig, dass sie arbeitsteilig als gleichberechtigte Partner handeln.
Die Mittäter müssen ihr Einverständnis nicht ausdrücklich erklären. Es genügt, wenn ihre Zustimmung schlüssig aus ihrem Handeln hervorgeht, beispielsweise aus einem gegenseitigen Zunicken.
Die Frage ist allerdings, bis wann der gemeinsame Tatentschluss gefasst werden muss. Oder anders gefragt: Bis zu welchem Zeitpunkt ist eine sukzessive Mittäterschaft möglich, wenn ein Täter bereits mit einer strafbaren Handlung begonnen hat und anschließend eine weitere Person hinzukommt?
Bei folgenden Konstellationen herrscht Einigkeit unter den Juristen:
- Während des Versuchsstadiums bis zur Vollendung ist eine sukzessive Mittäterschaft möglich. Das heißt, ein Täter befindet sich bereits in der strafbaren Versuchsphase, als eine weitere Person hinzukommt. Beide fassen nun einen gemeinsamen Tatplan – sie wollen die Straftat gemeinsam beenden.
- Auch bei Dauerdelikten wie der Freiheitsberaubung ist eine sukzessive Mittäterschaft möglich. Der erste Täter sperrt sein Opfer ein. Die Freiheitsberaubung hält noch an, als eine weitere Person gemeinsam mit dem Haupttäter beschließt, das Opfer weiterhin gemeinsam festzuhalten.
- Ist das Delikt bereits beendet, scheidet eine Mittäterschaft hingegen aus.
Sukzessive Mittäterschaft nach Tatvollendung möglich?
Die Frage, ob eine sukzessive Mittäterschaft nach Vollendung einer Straftat möglich ist, wird von Rechtsprechung und Lehre unterschiedlich bewertet.
Nach der herrschenden Lehre ist eine mittäterschaftliche Zurechnung nach Vollendung nicht mehr möglich:
- Ist ein strafbares Verhalten bereits abgeschlossen und die Straftat damit vollendet, kann der Hinzutretende das Tatgeschehen nicht mehr beherrschen.
- Strafbar ist nur ein Verhalten, das den tatbestandlichen Erfolg – z. B. die Tötung bei einem Totschlag – kausal herbeiführt.
- Jemand wird nicht allein dadurch zum Mittäter, dass er die von jemand anderes begangene Straftat kennt und billigt.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH) ist eine sukzessive Mittäterschaft auch nach Vollendung möglich:
- Die Mittäterschaft setzt einen kommunikativen Akt voraus: Eine weitere Person beschließt gemeinsam mit dem Haupttäter, die Tat gemeinschaftlich zu beenden.
- Der Erfolg einer Tat kann erst dann nicht mehr gefördert werden, wenn sie materiell abgeschlossen ist – und das Diebesgut zum Beispiel an einen sicheren Ort gebracht wurde.
Nach der Auffassung des BGH ist zum Beispiel eine sukzessive Mittäterschaft beim vollendeten Diebstahl denkbar – wie im vorliegenden Fall: Ein Mann beobachtet, wie jemand in einem Geschäft heimlich Schmuck in seine Jackentasche steckt. Er spricht den Dieb an und schlägt ihm vor, die Diebesbeute gemeinsam sicher aus dem Laden zu schmuggeln und zu verkaufen. Während der Mann die Kassiererin ablenkt, verlässt der Dieb unbehelligt das Geschäft. Die beiden verkaufen den Schmuck und teilen sich den Erlös gleichmäßig.
Mittäterschaft setzt gemeinsame Tatbegehung voraus
Ein weitere Voraussetzung der mittäterschaftlichen Zurechnung nach § 25 II StGB ist, dass jeder Mittäter – wie abgesprochen – seinen Tatbeitrag zum Gelingen des gemeinsamen Tatentschlusses leistet.
Problematisch wird es, wenn ein Tatbeteiligter die verabredete Arbeitsteilung überschreitet – wie z. B. im folgenden Fall:
X und Y beschließen, sich gegenüber dem Rentner R als dessen Enkel auszugeben, um an sein Bargeld zu gelangen. Plötzlich erschießt X den R, als der den Schwindel bemerkt – Y hingegen wollte zu keiner Zeit Gewalt anwenden.
Ein solcher Exzess kann dem anderen im Rahmen einer Mittäterschaft nicht angerechnet werden: Die strafrechtliche Verantwortung des Einzelnen reicht nur bis zur Grenze dessen, was die Täter gemeinsam verabredet und gewollt haben. Für den Exzess – für die Tötung des Rentners im Beispielfall – haftet nur derjenige, der mit seinem Verhalten über das Vereinbarte hinausgeht.
Nicht jede spontane Planänderung des einen Beteiligten ist gleich ein Exzess, für den der andere nicht belangt werden kann. Mit anderen Worten: Gerade bei einer vagen und offenen Tatplanung sind Exzesse und Planabweichungen nach § 25 II StGB zurechenbar, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Vorhersehbarkeit: Dass der eine Täter mit seinem Verhalten vom eigentlichen Tatentschluss abweicht, war für den anderen Beteiligten im Rahmen der Tatvorbereitung erkennbar bzw. er hätte nach den Umständen des Falls damit rechnen müssen.
- Billigung: Steht ein Mittäter dem Verhalten seines Kompagnons gleichgültig gegenüber, so lässt sich daraus schließen, dass er diese Tathandlung billigt. Sie wird ihm dann nach § 25 II StGB zugerechnet.
Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe
Wie bereits erwähnt, setzt § 25 II StGB voraus, dass die Tatbeteiligten die Straftat gemeinschaftlich begehen. Wie der jeweilige Tatbeitrag ausgestaltet sein muss, ist ebenfalls umstritten und entscheidet maßgeblich darüber, ob jemand als Mittäter oder „nur“ wegen Beihilfe nach § 27 StGB zur Verantwortung gezogen wird.
- An das Vorliegen der Mittäterschaft stellt die Rechtsprechung keine besonderen Anforderungen an Zeit und Ort. Ein Mittäter muss weder am Kerngeschehen mitwirken noch am Tatort anwesend sein. Wesentliche Kriterien sind der Grad des Eigeninteresses an der Straftat und der Umfang der Tatbeteiligung. Außerdem muss der Beteiligte Tatherrschaft oder zumindest den Willen dazu haben.
- Die herrschende Lehre stellt hingegen darauf ab, ob der Täter einen wesentlichen Tatbeitrag geleistet und somit objektiv Tatherrschaft innehatte. Sprich, sein Handeln muss so wichtig sein, dass er das Geschehen „in den Händen hält“ und die geplante Tat mit seinem Handeln steht und fällt. Auch die Frage, in welcher Art und Weise der Täter am Tatgeschehen beteiligt ist und welcher Anteil der Beute ihm zugesprochen wird, spielt dabei eine wichtige Rolle.
Versuch bei der Mittäterschaft
Versuchte Mittäterschaft bedeutet, dass mehrere Personen gemeinsam den Entschluss fassen, eine konkrete Straftat zu begehen. Sie beginnen mit der Tatausführung, können die Tat aber nicht vollenden.
Für eine Strafbarkeit eines solchen Versuchs müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Gemeinsamer Tatentschluss aller Beteiligten, der ausdrücklich oder konkludent gefasst werden kann: Der Vorsatz der Mittäter muss sich auf die gesamte Tat beziehen.
- Konkrete Maßnahmen zur Verwirklichung der Straftat: Reine Vorbereitungshandlungen wie beispielsweise das Besorgen einer Tatwaffe reichen nicht aus. Vielmehr muss wenigstens ein Mittäter unmittelbar zur Tat ansetzen. Ein versuchter Totschlag in Mittäterschaft würde z. B. vorliegen, wenn ein Tatbeteiligter – wie gemeinsam geplant – mit der Pistole auf das Opfer zielt.
- Nichtvollendung der Tat: aus unvorhersehbaren Gründen, etwa weil ein Mittäter daneben schießt oder weil die Polizei vor der Tatvollendung eingreift
- Strafbarkeit nach § 23 I StGB: Der Versuch eines Verbrechens ist immer strafbar, ein versuchtes Vergehen nur dann, “wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt”.
Brechen die Mittäter ihr Vorhaben freiwillig und ohne Zwang vor der Tatvollendung ab, so gilt dies als Rücktritt im Sinne des 3 24 StGB und sie werden nicht bestraft. Das ist beispielsweise der Fall, wenn A und B ein Juweliergeschäft einbrechen wollen, um Schmuck und Uhren zu stehlen. Sie rechen das Geschäft zwar wirklich auf, brechen die Tat dann aber einvernehmlich ab und fliehen ohne Beute.
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