FAQ: Nötigung, § 240 StGB
Nötigung bedeutet laut Definition des § 240 I StGB, dass der Täter eine andere Person „rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung“ zwingt.
Nein, es handelt sich um ein Offizialdelikt, das Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgen müssen, wenn sie davon Kenntnis erlangen. Dafür genügt die Anzeige der Nötigung, ein Strafantrag ist nicht erforderlich.
Erstattet jemand Strafanzeige wegen Nötigung, so muss die Polizei, dem Verdacht nachgehen und ein Ermittlungsverfahren einleiten. Sie prüfen den Sachverhalt und sammeln Beweise. Liegt nach Abschluss der Ermittlungen ein hinreichender Tatverdacht vor, wird die Staatsanwalt Anklage erheben.
Für Nötigung droht als Strafe eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. In besonders schweren Fällen liegt der Strafrahmen bei sechs Monaten bis zu Fünf Jahren Freiheitsstrafe. Im Übrigen ist auch eine versuchte Nötigung strafbar.
Inhaltsverzeichnis
Strafenkatalog – diese Strafe droht bei Nötigung
Nötigung | Geldstrafe oder bis zu 3 Freiheitsstrafe |
… besonders schwerer Fall | 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe |
Nötigung einer Schwangeren zum Schwangerschaftsabbruch | 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe |
Nötigung im Amt | 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe |
Was ist eine Nötigung?
Wenn jemand eine Person zwingt, etwas Bestimmtes zu tun oder zu unterlassen, macht er sich unter Umständen wegen nach § 240 StGB strafbar. Der Tatbestand der Nötigung ist erfüllt, wenn der Täter seinem Opfer gegen dessen Willen ein bestimmtes Verhalten aufzwingt, indem er Gewalt anwendet oder das Opfer bedroht.
Der Gesetzgeber hat diesen Straftatbestand sehr allgemein gehalten. Er bildet die Grundlage für weitere Straftatbestände, die deutlich höher bestraft werden können, wie beispielsweise Erpressung.
Laut § 240 I StGB setzt der Tatbestand der Nötigung Folgendes voraus:
- Gewaltanwendung oder Drohung als Tathandlung
- Handeln, Dulden oder Unterlassen des Opfers als Nötigungserfolg
- Vorsatz des Täters
- Rechtswidrigkeit, insbesondere Verwerflichkeit nach § 240 II StGB
Tathandlung: Nötigung durch Gewaltanwendung
Eine strafbare Nötigung setzt voraus, dass der Täter Gewalt anwendet, um sein Opfer zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen.
Die heutige Rechtsprechung fasst den Begriff der Gewalt relativ weit auf, während das Reichsgericht darunter lediglich ein Zwangsmittel verstand, bei dem der Täter mit körperlicher Kraft auf eine andere Person einwirkt, um deren Widerstand zu überwinden.
Doch seitdem hat sich die Rechtsprechung gewandelt und entwickelt sich auch weiterhin fort.
Laut Bundesgerichtshof ist Gewalt …
„der körperlich wirkende Zwang durch die Entfaltung von Kraft oder durch eine physische Einwirkung sonstiger Art, die nach ihrer Zielrichtung, Intensität und Wirkungsweise dazu bestimmt und geeignet ist, die Freiheit der Willensentschließung oder Willensbetätigung eines anderen aufzuheben oder zu beeinträchtigen.“
[Quelle: BGHSt 41, 182]
In folgenden Fällen liegt eine Nötigung durch Gewaltanwendung vor:
- Tritte und Schläge gegen das Opfer (Körperverletzung)
- Fesseln, Einsperren oder Betäuben des Opfers
- Ausbremsen oder länger andauerndes dichtes Auffahren mit Lichthupe als Nötigung im Straßenverkehr
- Stören einer Versammlung durch permanentes lautes Schreien und Schlagen gegen die Fensterscheiben
- Abstellen der Heizung im Winter durch den Vermieter, um den Mieter aus der Wohnung zu vergraulen
- Sitzblockaden mit zusätzlichen physischen Hindernissen, die einen Verkehrsstau verursachen
Drohung mit einem empfindlichen Übel als Tathandlung
Eine Nötigung liegt auch vor, wenn der Täter, seinem Opfer mit einem empfindlichen Übel droht und es so zu einem bestimmten Verhalten zwingt.
- Drohung bedeutet, dass der Täter dem Opfer ein künftiges empfindliches Übel in Aussicht stellt, das eintreten soll, wenn sich das Opfer nicht dem Willen des Täters beugt. Der Täter kann dabei selbst beeinflussen, ob dieses Übel eintritt oder nicht oder er gibt zumindest vor, Einfluss darauf zu haben. (BGHSt 16, 386) Ein klassisches Beispiel für eine solche Drohung ist das Vorhalten einer Waffe.
- Keine Nötigung liegt hingegen vor, wenn der „Täter“ sein „Opfer“ nicht bedroht, sondern lediglich warnt. Hier weist der „Täter“ lediglich auf Gefahren hin, die er (angeblich) nicht beeinflussen kann.
Was ist ein empfindliches Übel? Der Bundesgerichtshof (BGH NStZ 82, 287) definiert diesen Begriff wie folgt:
Ein Übel ist jeder Nachteil bzw. jede Werteinbuße. Empfindlich ist es dann, wenn es – rein objektiv betrachtet und angesichts der persönlichen Verhältnisse des Bedrohten – geeignet ist, einen umsichtigen Menschen zu dem mit der Drohung erstrebten Verhalten zu veranlassen.
Darüber hinaus muss der Täter das Opfer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigen. Erst wenn sich das Opfer wie vom Täter gewünscht verhält (sogenannter Taterfolg), liegt eine vollendete Nötigung vor. Allerdings stellt das Strafgesetzbuch eine versuchte Nötigung ebenfalls unter Strafe. Darüber hinaus muss der Täter die Nötigung vorsätzlich begangen haben.
Rechtswidrigkeit – Verwerflichkeit im Sinne des § 240 II StGB
Laut § 240 II StGB ist die Nötigung nur dann rechtswidrig, …
„wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.“
Das bedeutet, dass eine Nötigung – anders als bei anderen Straftaten – nicht automatisch rechtswidrig ist. Vielmehr muss die Rechtswidrigkeit durch eine bewertende Betrachtung der Tat gesondert festgestellt werden, sofern kein Rechtfertigungsgrund wie Notwehr eingreift.
Verwerflichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Nötigung sozial und ethisch unerträglich und deshalb zu missbilligen ist. In Betracht kommen dabei folgende Konstellationen:
- Verwerflichkeit des Mittels liegt insbesondere vor, wenn das Nötigungsmittel selbst bereits eine Straftat darstellt, etwa wenn der Täter sein Opfer schlägt. Das Mittel ist auch dann verwerflich, wenn der Täter zwar einen rechtlichen Anspruch auf das abgenötigte Verhalten des Opfers hat, dieses aber mittels Selbstjustiz erzwingt, anstatt die ihm gegebenen rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen.
- Verwerflichkeit des Zwecks der Nötigung bedeutet, dass der Täter von seinem Opfer etwas verlangt, worauf er keinen Anspruch hat. Oder er will das Opfer zwingen, selbst eine Straftat zu begehen.
- Verwerflichkeit der Zweck-Mittel-Relation heißt, dass Zweck und Mittel jeweils für sich genommen, nicht verwerflich sind. Sie werden es erst in ihrem Zusammenspiel.
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