Jede Strafnorm folgt einem einfachen Prinzip. Es lässt sich auf folgende Formel herunterbrechen: „Wenn jemand das und das tut, dann muss er mit diesen und jenen Konsequenzen rechnen.“ Wer eine bestimmte verbotene Verhaltensweise an den Tag legt, muss mit einer bestimmten Strafe rechnen. Die verbotenen Verhaltensweisen werden im Strafrecht Tatbestand genannt, die Konsequenz Rechtsfolge. Dieser Ratgeber erklärt anhand der vorsätzlichen Körperverletzung, was Tatbestandsmerkmale sind und wie man sie erkennen kann.
FAQ: Tatbestandsmerkmale
Ein Tatbestandsmerkmal beschreibt quasi ein rechtlich verbotenes Verhalten. Damit eine Tat als verwirklicht gilt, muss der Täter alle Tatbestandsmerkmale erfüllt haben. Nur dann handelt es sich eindeutig um eine Straftat.
Bei einer Körperverletzung gibt es sowohl einen subjektiven als auch einen objektiven Tatbestand. Wann diese als erfüllt gelten, lesen Sie hier.
Inhaltsverzeichnis
Tatbestandsmerkmale beschreiben ein verbotenes Verhalten
Das Zusammenleben in einem Rechtsstaat ist nur möglich, wenn sich jeder an bestimmte Spielregeln hält. Auf das Strafrecht übertragen heißt das: Jeder Mensch muss wissen, was er tun darf und was nicht. Die verbotenen Verhaltensweisen sind so allgemein wie möglich im Strafgesetzbuch (StGB) beschrieben. Der Tatbestand einer Strafnorm beschreibt die Voraussetzungen, die der Täter erfüllen muss, um sein Handeln oder Unterlassen als strafbar einstufen zu können.
Die Tatbestandmerkmale sind dabei die einzelnen Elemente des Tatbestands einer Rechtsnorm. Ein Tatbestand funktioniert ähnlich wie ein Baukasten. Die Tatbestandsmerkmale als Bausteine ergeben zusammengefügt das Gesamtwerk:
Sie umschreiben das verbotene Verhalten. Nur wenn alle einzelnen Merkmale erfüllt sind, darf der Staat den Täter bestrafen. Fehlt ein Tatbestandsmerkmal, so bleibt er straffrei.
Objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale der Körperverletzung
In § 223 Abs. 1 StGB wird die einfache Körperverletzung unter Strafe gestellt:
„Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Der Laie entnimmt diesem Straftatbestand wahrscheinlich nur zwei Voraussetzungen, von denen nur eine erfüllt sein muss: die körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsschädigung.
Tatsächlich ist es etwas komplizierter. Juristen teilen jeden Straftatbestand in objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale. Objektive Merkmale beschreiben das äußere Erscheinungsbild einer Tat (körperliche Misshandlung).
Subjektive Tatbestandsmerkmale beziehen sich auf die innere Welt des Täters. Sie sind für Außenstehende nicht sichtbar, sondern beschreiben dessen seelisch-psychische Vorstellungswelt. Hierzu gehört zum Beispiel der Vorsatz des Täters oder die Bereicherungsabsicht eines Betrügers.
Der Vorsatz des Täters muss sich auf alle Tatbestandsmerkmale beziehen, anderenfalls handelt er nicht vorsätzlich. Irrt er sich über ein gesetzliches Merkmal, so unterliegt er einem sogenannten Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 StGB. Auch dann handelt er nicht vorsätzlich.
Auch die fahrlässige Körperverletzung ist strafbar. Sie ist in § 229 StGB geregelt und wird nicht ganz so hart bestraft wie die vorsätzliche Körperverletzung. Anders als bei der vorsätzlichen Begehungsweise will der fahrlässig handelnde Täter sein Opfer nicht verletzen. Er hofft eher darauf, dass “alles gut gehen werde”.
Tatbestandsmerkmale einer einfachen Körperverletzung
Nach dem eben Gesagten lässt sich die Körperverletzung nach § 223 Abs. StGB in folgende Tatbestandsmerkmale aufteilen:
- Objektiver Tatbestand
– eine andere Person
– körperliche Misshandlung
– oder Gesundheitsschädigung - Subjektiver Tatbestand
Vorsatz in Bezug auf alle objektiven Tatbestandmerkmale
Tatbestandsmerkmale einer gefährlichen Körperverletzung
Bei der gefährlichen Körperverletzung kommen weitere Tatbestandsmerkmale hinzu. Diese sind in § 224 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 StGB geregelt und beziehen sich auf die Art und Weise der Tatbegehung, und zwar:
- durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
- mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
- mittels eines hinterlistigen Überfalls,
- mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
- mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
Es genügt, wenn eine dieser fünf Tatbestandsmerkmale vorliegt. Wenn der Täter zum Beispiel eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug benutzt, macht er sich der gefährlichen Körperverletzung strafbar. Die Benutzung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs ist ein objektives Tatbestandsmerkmal. Außerdem muss sich der Vorsatz des Täters auf deren Benutzung beziehen.
Prüfung eines Tatbestands
Wie gehen Juristen vor, wenn sie ermitteln wollen, ob ein Verhalten unter eine bestimmte Strafnorm fällt? In der Regel erkennen sie aufgrund ihrer Erfahrung, welcher Straftatbestand erfüllt sein könnte. Dann prüfen sie den Sachverhalt schrittweise anhand dieser Vorschrift. Dabei kann es vorkommen, dass ein Verhalten mehrere Strafnormen erfüllt, sodass mehrere Tatbestände zu prüfen sind. Dies kann sich auf die Strafverfolgung und Strafzumessung auswirken.
Tatbestandsmerkmale erkennen und voneinander trennen
Alle Tatbestandsmerkmale müssen sauber voneinander getrennt werden. Die Merkmale einer einfachen Körperverletzung wurden bereits im vorigen Abschnitt aufgegliedert.
Wie können Laien Tatbestandsmerkmale erkennen? Versuchen Sie das Wenn-dann-Prinzip anzuwenden, wenn Sie eine Norm im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs lesen. Der Tatbestand beginnt in der Regel mit: „Wer …“. Die Rechtsfolge lässt sich an der Formulierung „wird … bestraft“ erkennen.
Dies ist jedoch nur eine grobe Faustregel. Sie finden auf diese Weise nur die geschriebenen Tatbestandsmerkmale, die ausdrücklich im Gesetz erwähnt werden.
Daneben gibt es noch die ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale. Sie stehen nicht im Gesetz, sondern wurden im Laufe der Zeit entwickelt, um einen gesetzlichen Tatbestand einzuschränken. Ein Beispiel hierfür ist die Kausalität zwischen Handlung und Erfolg bei den Erfolgsdelikten. Es handelt sich hierbei um ein ungeschriebenes objektives Tatbestandsmerkmal.
Was sind normative Tatbestandsmerkmale?
Im Strafgesetzbuch und anderen Gesetzen gibt es Begriffe, die einer bestimmten rechtlichen Wertung bedürfen. Die Rede ist von normativen Tatbestandsmerkmalen. Eine solche Bewertung ist z. B. erforderlich, um die Sache, die der Dieb entwenden will, als fremd einzustufen.
Eine Definition für jedes Tatbestandsmerkmal
In einem zweiten Schritt prüft ein Jurist, was unter den einzelnen rechtlichen Begriffen der einschlägigen Strafnorm zu verstehen ist. Für jedes Tatbestandsmerkmal gibt es eine Definition. Diese sind in verschiedenen Kommentaren und Nachschlagwerken zum Strafgesetzbuch nachzulesen.
Juristen definieren z. B. eine körperliche Misshandlung als …
„üble und unangemessene Behandlung, durch die die körperliche Unversehrtheit oder das körperliche Wohlbefinden des Opfers nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird.“
Laien müssen diese Definitionen nicht kennen. Sie machen sich bereits dann strafbar, wenn sie z. B. den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllen und die rechtlich-soziale Bedeutung dieses Tatbestands erfassen. Denn dann handeln Sie gewöhnlich auch mit dem entsprechenden Vorsatz. Jeder Mensch weiß zum Beispiel, dass es verboten ist, andere zu schlagen, zu treten oder eine Treppe herunter zu schubsen.
Fällt die Tathandlung unter den Tatbestand? – Subsumtion
In einem letzten Schritt wird ermittelt, ob das konkrete Verhalten des Täters unter das jeweilige Tatbestandsmerkmal fällt (Subsumtion). Dieser und der vorgehende Schritt der Definition müssen für jedes einzelne Tatbestandsmerkmal durchgeführt werden.
Angenommen, jemand bewirft eine andere Person absichtlich mit einer vollen Cola-Dose und dieser Fall landet vor dem Strafgericht. Dann müsste der Richter alle oben benannten Tatbestandsmerkmale einer gefährlichen Körperverletzung prüfen, unter anderem ob die Cola-Dose ein gefährliches Werkzeug darstellt.
Juristen verstehen darunter Gegenstände,
„die nach ihrer objektiven Beschaffenheit und der Art ihrer Verwendung im konkreten Fall dazu geeignet sind, erhebliche Verletzungen zuzufügen.“
Der Richter würde also schlussfolgern: Wenn ein Täter eine volle Coladose gezielt als Wurfgeschoss gegen einen menschlichen Körper einsetzt, kann dies zu erheblichen Verletzungen führen. Er würde also zu dem Schluss kommen, dass die Dose in diesem konkreten Fall ein gefährliches Werkzeug ist, und den Beschuldigten wegen einer gefährlichen Körperverletzung verurteilen.
Rechtswidrigkeit und Schuld
Machen wir es noch ein Stückchen komplizierter. Auch die Tatbestandsmerkmale allein genügen noch nicht, um jemanden wegen seiner Tat zu bestrafen. Hierfür bedarf es noch zweier Voraussetzungen, …
- der Rechtswidrigkeit der Tat und
- der Schuld des Täters.
Im weitesten Sinne gehören auch diese beiden Erfordernisse zum Tatbestand einer Strafnorm. Die Rechtswidrigkeit beschreibt zusammen mit dem Tatbestand das Unrecht einer Tat. Rechtswidrigkeit bedeutet nichts anderes, als dass die Tat dem geltenden Recht widerspricht. Allerdings will der Gesetzgeber nur sozialschädliches und strafwürdiges Verhalten bestrafen. So gut wie jedem dürfte an dieser Stelle zumindest eine Situation in den Sinn kommen, in der eine Strafe z. B. wegen Körperverletzung unangebracht wäre: die Notwehr.
Alexa M sagt
Ich mache in drei Wochen meine 1. AP der Fachkraft für Schutz und Sicherheit und ich suche immer noch eine Möglichkeit die Tatbestandsmerkmale so kurz wie möglich zu halten da die Prüfungszeit sehr wenig ist